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         Albion Review

(Diese Review gibt es auch als eine von mir gesprochene Rezension auf Youtube, siehe unten)

Angedeutete Exotik im Startmenü

Wir gleiten durch einen bizarren Kosmos voller greller Sphären, in denen sich im nächsten Augenblick Dinge wie Schwerter, Äpfel oder Schmetterlinge materialisieren, höhnische Fratzen uns angrinsen und seltsame, nicht menschliche Töne uns bombardieren, und dass jede Nacht. Das erlebt Tom Driscoll, Pilot und Protagonist dieser Geschichte seit 10 Tagen in seinem Schlaf. Was könnten diese Visionen und Alpträume bedeuten? Und warum hat ausgerechnet er solche Träume, er, der Shuttle-Pilot des DDT-Konzerns, welcher sich überhaupt nicht mit spirituellen Dingen beschäftigt? Jedenfalls ist Tom im Jahr 2229 mit der „Toronto“ zu einem unerforschten Wüstenplaneten unterwegs. Tom hat dort die Aufgabe, einen Inspektor und einen Wissenschaftler der Regierung mit einem Shuttle zu diesem Planeten zu fliegen, von denen die Wissenschaftler glauben, er könnte ca. 150-mal mehr Ressourcen als die Erde verfügt. Den Flug zu den Sternen mit Hilfe des sogenannten C-Antriebs entdeckte die Menschheit einige Jahre zuvor, und da die Rohstoffe der Erde langsam aber sicher komplett ausgebeutet waren, suchen die Mega-Konzerne in den Tiefen des Alls Planeten, die sie anstatt der guten alten Erde, „profitorientiert nutzen“ können… Dieser Planet, von den Analysten des DDT-Konzerns wegen seinem enormen Ressourcenreichtum auch „Nugget“ genannt, ist also das Ziel von Tom Driscoll, der sich am Bord des Mutterschiffes, der „Toronto“ auf seinem Einsatz vorbereitet. Doch kurz nach dem Hyperraumsprung ereignet sich eine Explosion, bei dem der Inspektor der Regierung stirbt. Somit ist der Wissenschaftler, sein Name ist Rainer Hofstedt, der einzige Vertreter der Regierung am Bord des geplanten Shuttlefluges und somit der einzige Passagier für Tom. Die Mission von Tom und Rainer ist es, als erstes den fremden Planeten zu erkunden, die „Toronto“ wird ihnen später folgen. Der Start des Shuttles verläuft aller schlechten Omen zum Trotz ohne Schwierigkeiten, doch als Tom und Rainer sich auf Sichtweise zu dem Planeten befinden, müssen sie vollkommen überrascht feststellen, dass Nugget kein zweites Tatooine ist. Im Gegenteil, der Planet platzt förmlich vor lauter Grün und Leben. Doch kurz nach dieser weitreichenden Entdeckung ereignet sich plötzlich ein Unfall am Bord des Shuttles, so dass sie auf dem grünen Planeten notlanden müssen. Der Crash ist zum Glück glimpflich und ohne große Verletzungen für die beiden Entdecker von statten gegangen, doch als Tom bemerkt, dass die Atmosphäre des Planeten atembar ist, explodiert das Shuttle und verletzt Tom schwer, Rainer jedoch kommt mit nur ein paar Blessuren davon. Als Tom nach einer langen Ohnmacht kurzzeitig wieder zu sich kommt, befindet er sich liegend in einem seltsam, organisch anmutenden Raum. Rainer ist bei ihm, doch ebenso ein seltsames, grüngeflecktes Wesen mit menschlichen Zügen und vorzeitlicher Kleidung. Rainer erklärt ihm, dass die Wesen eine intelligente Spezies namens Iskari sind und sie sich in einer Art Krankenhaus befinden. Toms Verletzungen sind allerdings so schwerwiegend, dass er noch 30 Tage das Bett hüten muss, gepflegt von einer Iskari namens Giria und unter Aufsicht von Rainer. Nach seiner Genesung machen sich die beiden Erdlinge auf dem Weg, den Lande Ort der „Toronto“ zu finden…und treffen auf ihrer Reise auf vorzeitliche dinosaurierartige Wesen und menschliche Kelten…

Fratzen als Planeten: Im Vorspann treiben wir durch einen seltsamen Kosmos

Albion wurde 1995 vom deutschen Softwarestudio Blue Byte entwickelt und veröffentlicht. Federführend bei der Entwicklung von Albion waren Erik Simon und Juri Hornemann, und damit ehemalige Thalion Leute, die auch schon für Amberstar hauptverantwortlich waren. Und das sieht man Albion auch sehr gut an, denn ähnlich wie bei Amberstar ist die Spielwelt zu einem in einer isometrischen Sichtweise dargestellt, welche für die Navigierung auf der Weltkarte und die Bewegung in Häusern verwendet wird und zum anderen einer 3D Sicht, welche für Städte, Dungeons und besondere Orte verwendet wird. In beiden Sichtmodi kann die Party Gegenstände aufnehmen, Türen und Truhen öffnen oder mit NPC kommunizieren. Im 3D Modus bewegt sich die Party frei drehbar und nicht etwa wie in Amberstar in 90 ° Schritten vorwärts und trifft auf sich in Echtzeit bewegende NPC und Gegner. Das Gegner- und Figurenartdesign ist herrlich exotisch und fremdartig gestaltet worden: So trifft die Party im Spielverlauf auf dinosaurierartige Skrinn, die wie Raptoren aus Jurassic Park aussehen oder auf Rieseninsekten, die man so wohl auch in dem Hollywoodfilm Avatar sehen konnte. Überhaupt erinnert das Artdesign von Albion stark an Avatar, die außerirdischen Iskari ähneln den blauen Ureinwohnern von Pandora doch sehr, ebenso ihre Heimatwelt. Die Reise auf der Weltkarte, zu Fuß oder per Schiff, ist phantastisch gestaltet worden: dinosaurierartige Wesen und Rieseninsekten laufen bzw. fliegen der Party hinterher und riesige, exotische Bäume und Pflanzen blinken und vibrieren im Takt der Geräusche von unsichtbaren Vögeln und Kleinnagetieren, das ist Exotik pur.

Exotisches Flair am frühen Morgen auf der Weltkarte

Kommen Gegner der Party zu nahe, beginnt der Kampfmodus. Die Spielumgebung wird auf ein schachbrettartiges Feld umgeschaltet, auf dem die Party am unteren Rand und die Gegner am oberen Rand starten. In jeder Runde kann jede Figur eine Aktion wie Bewegung, Angriff, Magie oder Flucht verwenden. Wenn alle Figuren ihre Aktion ausgewählt haben, beginnt die Kampfrunde, bei der alle gewählten Aktionen, je nach Initiative, nacheinander ausgeführt werden. Bewegungen und Angriffe von Gegnern werden dann schön animiert als Sequenz abgespielt. Heilgegenstände wie Heiltränke oder Stims lassen sich ohne eine Aktion in der Vorbereitungsrunde verwenden. Verliert ein Partymitglied alle Lebenspunkte, wird es bewusstlos und kann keine Aktionen mehr in diesem Kampf ausführen. Verlieren alle Gegner ihre Lebenspunkte, ist der Kampf gewonnen und alle Partymitglieder erhalten Erfahrungspunkte und gegebenenfalls Beute in Form von Gegenständen, Gold oder Nahrung. 

Tom lässt es krachen: Magischer Hagelschauer gegen Dinoraubtiere

Das Charaktersystem von Albion basiert klassisch auf Erfahrungspunkte, wobei wie üblich bei einer bestimmten Menge an Erfahrungspunkten der Charakter ein Level aufsteigt. Durch den Levelaufstieg erhält der Charakter zusätzliche Lebens- und Trainingspunkte, Magie nutzende Spielcharaktere erhalten außerdem noch Spruchpunkte zum Zaubern. Die Trainingspunkte können bei einem Lehrer verwendet werden, um die Fähigkeiten Nahkampfangriff, Fernkampfangriff, Kritischer Treffer und Schlösser knacken zu erhöhen. Jede der Charakterklassen Pilot, Wissenschaftler, Krieger, Kriegerin, Techniker, Erleuchtete, Dji-Kas Magierin, Druide und Oqulo Kamulos besitzt unterschiedliche Maximalwerte bei den genannten Fähigkeiten, ebenso wie bei den Attributen Stärke, Intelligenz, Geschicklichkeit, Geschwindigkeit bzw. Schnelligkeit, Ausdauer, Glück, Magische Resistenz und Magisches Talent. So kann ein Krieger der Iskari seinen Nahkampfangriff durch Training beizeiten auf den Maximalwert von 99 Punkten bringen, ein keltischer Druide wiederrum ist im Nahkampf nicht sehr fähig, kann aber sein magisches Talent in Laufe seiner Karriere maximieren. Dabei ist es interessant, dass Albion die Maximalwerte bei den Attributen von der Rasse und nicht etwa von der Klasse abhängig sind. Wobei Klassen im Bezug auf eine Klassenwahl wie im klassischen Rollenspiel hier nicht vorkommen, alle Partymitglieder sind eigenständige Individuen, welche sich im Laufe der Geschichte Tom und Rainer anschließen.

Raumpilot in Balken: Das Inventar und das Attributsfenster von Tom

Das Magiesystem in Albion ist recht klassisch gestaltet worden, die verschiedenen Magiebegabten Charaktere Erleuchtete, Dji-Kas Magier, Druide und Oqulo Kamulos, wobei die Erleuchteten und die Dji-Kas Magier zu den Iskari gehören und die Druiden und Oqulo Kamulos zu den Kelten, verwenden jeweils eigene Arten von Magie. So verwenden die Erleuchteten Zauber der Heilung und Reisezauber wie Teleport oder Schneller Rückzug, die Dji-Kas nutzen Natur- und Elementarzauber wie Dornenschlinge, welche Gegner festhält oder Frostsplitter, der Gegner mit Eis Magie schädigt und kurzzeitig einfriert. Die Druiden können mit ihrer Magie Dämonen vertreiben und somit zerstören und Feinde mit dem Schreck-Zauber demoralisieren, so dass die flüchten. Die abtrünnigen Kelten der Kenget Kamulos, die Magierklasse Oqulo Kamulos, zerstört ihre Feinde mit Blitz und Feuer, so können sie eine für den Gegner unsichtbare Blitzmine im Kampf auf den Spielfeld platzieren, welche den ahnungslosen Feind schädigt oder einen apokalyptischen Feuersturm herbeirufen, der alle Feinde der Gruppe zu Asche verbrennt.

Götterkunde vom Druiden: Die Party unterhält sich mit den örtlichen Heiler

Mein Fazit:

Albion ist ein faszinierendes und exotisches Spielerlebnis, das durch sein phantastisches Gegner-, NPC- und Weltdesign besticht. Die Spielwelt, bereist in isometrischer Draufsicht und 3D-First Person Sichtweise, lässt einen wirklich tief in diese geheimnisvolle Umgebung eintauchen. Die erzählte Geschichte, gestrandete, hochtechnisierte Erdbewohner treffen auf eine archaische Dschungelwelt, ist spannend erzählt und bietet einige Überraschungen. Das Kampfsystem mit seinen tollen Animationen und taktischen Möglichkeiten kann überzeugen und wird nie langweilig. Für mich ganz sicher eines der besten und exotischsten DOS Rollenspiele aller Zeiten.

Kerkerschau in 3D: Die Gruppe kriecht durch ein keltisches Verlies
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© Mathias Haaf