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  Tales of the Unknown:      The Bard's Tale Review

"Stay awhile and listen..." Der Barde im Titelbild war eher dran als Deckard Cain...

Mangar the Dark überblickte in seinem hohen, düsteren Turm die Stadt Skara Brae. Am Vortag noch explodierte die Stadt förmlich mit Leben und Geschäftigkeit. Der Waffenhändler Garth polierte und sortierte wie jeden Tag seine martialischen Waren in seinem Geschäft. Roscoe der Magier meditierte in seinem Turm, um Magier bei der Wiederherstellung ihrer magischen Kraft behilflich sein zu können… gegen einem angemessenen Preis natürlich. Und auf dem Grand Plaza herrschte wie immer eine erhabene, friedliche Stimmung, in den umliegenden Tempeln wurden feierlich den Göttern gehuldigt und, gegen einer großzügigen Spende, die Kranken und Verwundeten behandelt. Doch das war gestern…Heute liegt ein eisiges Leichentuch der Stille und Einsamkeit über der Stadt. Mangar wob einen mächtigen Zauber, welcher Skara Brae in einem dicken Eispanzer hüllte. Danach öffnete er die Portale zu den finsteren Reichen, die Massen an Monstern und Dämonen ausspien, welche jetzt die Straßen und Gassen der Stadt beherrschten. Zufrieden mit seinem finsteren Werk, übersah er allerdings das leichte Flackern in den Fenstern der Abenteuergilde. Denn in dieser Gilde erhielten zu diesem Zeitpunkt die noch jungen Abenteuer, welche kurz vor der Abriegelung in die Stadt kamen, um Reichtum und Ruhm zu suchen, die letzten Anweisungen der Ältesten der Gilde. Denn sie sollten diejenigen sein, die Mangar und seine Schergen aufhalten sollten. So zogen sie, mit nur wenig Gold in ihren Taschen, aus, um Skara Brae aus den Klauen von Mangar und seiner Schergen zu befreien.

Access denied by Mangar! Die Party hat vorher noch was zu erledigen...

Skara Brae wird in einem kleinen Fenster in der First Person Sicht erkundet, wobei die Mitglieder der Party in Listenform unter dem Fenster aufgeführt werden. Auf der rechten Seite befindet sich eine Schriftrolle, auf der alle spielrelevanten Informationen wie das Kampfprotokoll oder das Inventar der Helden angezeigt werden. Die Häuser, Türme, Geschäfte und besonderen Orte werden direkt in 2D im Sichtfenster angezeigt. Die Heldentruppe bewegt sich schrittweise und um 90° drehend durch die eisige und entvölkerte Stadt. Besondere Orte wie das Geschäft von Garth oder die Tempel, aber auch Verließe wie Baron Harkyn’s Schloss werden mit einen eigenen Bild im 2D Fenster dargestellt, während die anderen Häuser durch einige wenige Standardbilder dargestellt werden. Die meisten Gebäude der Stadt sind mittlerweile verlassen, doch ab und zu sind die Häuser von den Schergen von Mangar besetzt.

So kalt sieht es gar nicht aus: Unterwegs in den Straßen von Skara Brae

Trifft die Gruppe auf eben diese Schergen, wird in den rundenbasierten Kampf umgeschaltet. Im Sichtfenster erscheint dann eine herrlich animierte Figur, welche den aktuellen Gegner der Helden darstellt. Zu Beginn des Kampfes können die Abenteuer noch versuchen, vor ihrem Gegner zu fliehen, doch nicht jeder Gegner lässt die Helden einfach so davonkommen. Ist die Flucht misslungen oder hat sich die Gruppe direkt für den Kampf entschieden, beginnt die erste Kampfrunde. Dazu wählt man für jeden Charakter der Gruppe eine Aktion wie Angriff, Verteidigen, Zaubern oder einen Gegenstand verwenden, aus und startet dann, wenn man zufrieden mit den Partyaktionen ist, dem Kampf. Auf der Schriftrolle erscheinen dann die Ergebnisse der ausgewählten Aktionen, wobei die Zugreihenfolge von der Initiative, sprich der Dexterity, der jeweiligen Figur bestimmt wird. Besiegt die Gruppe ihre Feinde, erhalten alle Charaktere zur Belohnung Erfahrungspunkte und Gold, manche Feinde lassen aber auch eine Schatztruhe zurück. Jetzt schlägt die große Stunde des Rogue, denn in den meisten Fällen sind die Truhen mit einer Falle gesichert. Findet der Rogue die richtige Falle, wird sie entschärft, und die Belohnung, welche meistens ein nützlicher Gegenstand wie eine Waffe oder Rüstung ist, gehört der Party.

Level 2 Party gegen Drache, was kann da schon schiefgehen...

Das Charaktersystem von The Bard’s Tale ist stark an das von Dungeons and Dragons angelehnt, allerdings hat das Spiel auch eigene Ideen, welche sich angenehm vom großen Vorbild absetzen. Bei der Rassenauswahl stehen allerdings noch klassische Völker wie Menschen, Zwerge, Elfen oder Halblinge zur Verfügung, bei den Klassen glänzt aber The Bard’s Tale mit neuen Berufen wie dem Jäger, welcher ein Meister im Zufügen von kritischen Treffern ist oder Zaubererklassen, die verschiedene Ränge in ihrer Zunft erreichen können und somit mit jedem Rangaufstieg mächtiger werden. Bei diesen Zaubererklassen beginnt der Aspirant der magischen Künste als kleiner Conjurer oder Magician. Mit jedem zweiten Level kann sich der Zauberwirker beim Review Board, der Ausbildungsstätte für alle Klassen, eine neue, magische Stufe kaufen. Mit jeder neuen Magiestufe erhöht sich die Anzahl der zur Verfügung stehenden Zaubersprüche, wobei mit der 7. Magiestufe für diesen Zaubererrang die Höchststufe erreicht wird. Falls der Aspirant es wünscht, kann ab der 3. Magiestufe ein neuer Zauberrang und somit eine neue Zaubererklasse erreicht werden. Allerdings kann der Zauberwirker dann nicht mehr in seiner vorhergehenden Zaubererklasse aufsteigen. Somit ist es am sinnvollsten, wenn man das gesamte Repertoire an magischen Formeln für seine Magiekundigen haben möchte, den Wechsel des Zaubererranges erst mit dem Erreichen der 7. Magiestufe zu vollziehen. So steigt der Zauberwirker im nächsten Rang zum Sorcerer auf, welcher ein Meister der illusionären Magie ist, auf, um dann, nach der Meisterung dieser Klasse, zum mächtigen Wizard zu werden, welcher den höchsten Rang innerhalb der magischen Community innehat. Der Wizard ist ein Meister der Beschwörung, er ist in der Lage, Untote und sogar Dämonen zu beschwören, welche dann für die Party kämpfen. Bei jeden Stufenaufstieg erhalten die Partymitglieder eine Erhöhung eines zufälligen Attributs, wobei die Höchstgrenze von 18 Punkten nicht überschritten werden kann. Der namensgebende Barde spielt hier auch eine große Rolle, denn es sind seine magischen Lieder, welche die Party vor Fallen oder böser Magie schützen kann. 

Schwebene Kugel inklusive: Alethas als Jungmagier

The Bard’s Tale gehört mit seinen Gegnermassen und den daraus resultierenden vielen Kämpfen eher in dem Bereich der Hack and Slay Rollenspielen, die Dungeons wiederum glänzen durch ihre vielen, teils knackige Rätseln, dunklen Bereiche oder versteckte Fallen und Teleporter. Der mittlerweile berühmte Magische Mund hat auch hier zum ersten Mal seinen Auftritt. Diese magischen Münder stellen der Party eine Frage, welche oft in Reimform gestellt wird. Die richtige Antwort selbst oder ein Hinweis darauf, kann meistens im Dungeon selbst etwa als ein Graffiti an den Wänden oder als körperlose Stimme in den dunklen Gängen gefunden werden. Da es noch keine automatisch mitzeichnende Karte im Spiel gibt, ist es in den doch teils verwinkelten und verzwickt gestalteten Verliesen und Türmen auch ratsam, eine Karte per Hand,  am besten klassisch auf Karopapier, mitzuzeichnen. Gesichert wird im Spiel ausschließlich in der Adventure’s Guild, das kann, gepaart mit den vielen Kämpfen und den teils kniffligen Dungeon Design sehr schnell zu Frust führen, wenn die Gruppe mal wieder in einem Kampf mit 35 Zombies, 25 Skelette und 20 Conjurors gerannt ist und die Flucht misslingt…

Darf natürlich auch nicht fehlen: Die Party betreibt Traditionspflege in den Abwässerkanälen

Die Grafik ist für das Jahr 1985 eine echte Augenweide. Zwar ist das Sichtfenster nur recht klein gestaltet worden, dafür sind die angezeigten Grafikelemente sehr umfangreich und schön gestaltet worden. Das trifft insbesondere auf die herrlich animierten Gegner-und Charakterporträts zu! Diese animierten Grafiken, und insbesondere das Finden von neuen Gegnerporträts oder neuen Zauberklassenporträts ist für mich tatsächlich auch das beste Spielelement von The Bard’s Tale. Sei es die knuffigen, mit einem Messer spielenden, boshaften Zwerge, die langsam auseinanderfallenden Zombies, welche mit ihrem eigenen, ausgerissenen Arm auf die Party einschlagen wollen oder der mit einer magisch leuchtenden Kugel hantierende Magician, die Vielfalt an tollen Grafiken und die Animationsqualität ist auch heute noch eine Augenweide. Die Musik in The Bard’s Tale wird, mit Ausnahme in den Räumen der Adventure’s Guild, auch tatsächlich vom Barden der Heldentruppe gemacht: So bald der Barde in die Klampfe haut, fängt auch der PC Speaker mit einem gepiepsten Lied an, wobei die Melodien für die damaligen Verhältnisse (und der Tatsache, dass es damals noch keine Soundkarten für den PC gaben) recht komplex und abwechslungsreich komponiert worden.

Bruder Tuck in bunt: Mönche, Söldner und Spinnen bilden eine Gegenparty

Mein Fazit:

Tales of the Unknown: The Bard’s Tale ist zurecht ein Pionier und Klassiker im Computerrollenspielgenre, denn seine damals revolutionäre Grafik und seine Ideen in Bezug auf das Charakter- und Dungeon Design ebnete den Weg für die nachfolgende Generation von Computerrollenspielen. Der knackige Schwierigkeitsgrad und die teils erbarmungslos komplizierten Dungeons machen das Spiel dann aber doch eher was für erfahrene, und frustresistente Rollerspieler. Für jüngere oder für frustanfällige Rollenspieler bietet sich hier dann auch die Remastered Version der Bard’s Tale Reihe an: In dieser, 2018 auf Steam erschienenen Neuauflage wurde nicht nur die Präsentation in die Neuzeit gebracht, sondern auch spielerische Annehmlichkeiten wie etwa eine Automap, einen geringeren Schwierigkeitsgrad und die Möglichkeit jederzeit und überall speichern zu dürfen, implementiert.

Dieses mal mit Schnee und Eis: So spielt man heute in Skara Brae
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© Mathias Haaf